Gewerkverantwortlicher: Kurt Töbelmann
Tabak wurde in Bremen seit Mitte des 17. Jahrhunderts als Genuss- und auch als Heilmittel in Apotheken gehandelt. 1668 beschloss der Bremer Senat eine besondere Besteuerung.
Zum Beruf des Zigarrenmachers
Tabak für die Herstellung von Zigarren besteht aus Einlage, Umblatt und Deckblatt. Deckblätter sind die festen und in Farbe und Geruch besten Tabakblätter. Der sortierte Tabak wurde mit Hilfe eines Zersteubers, der Nebelpumpe, mit Wasser befeuchtet und übereinander geschichtet, der dann „gleichmäßig milde und weiche Tabak“ von den Hauptrippen befreit, die zum Deckblatt geeigneten Blätter übereinander gelegt und gepresst. Der Zuschnitt der „Decken“ musste aus feuchten Blättern erfolgen. Blätter mit schwachen Rippen benutzte man als Umblätter, den Rest für die Einlage wurde getrocknet.
Der erste Arbeitsgang war das Wickelmachen, Tabak für die Einlage wurde genommen, geordnet, als Bündel auf das Umblatt gelegt, in dieses eingewickelt und auf dem Tisch gerollt bis eine gewisse Festigkeit erreicht war. Dafür gab es auch spezielle Wickelformen in welchen die Wickel 12 bis 24 Stunden gepresst und dabei auf 40 bis 50 Grad erwärmt wurden. Danach begann die eigentliche Arbeit des Zigarrenmachers, er rollte das Deckblatt um den gepressten Zigarrenwickel. Dabei hatte er besonders darauf zu achten, dass die Rippen der Blätter sich in einer bestimmten Form an die Zigarre anlegten. Die nötigte Festigkeit erhielt die Zigarrenspitze durch einen Klebstoff aus Stärkemehl und Cichorien.
Für größere Fabrikationen gab es Zigarrenwickelstühle, die die Wickel formten und mit Umblatt versahen. Ihre Form erhielten die Zigarren durch Pressen in Kisten.
Die fertigen Zigarren wurden getrocknet, sortiert und verpackt. In Zigarrenkisten verpackt erfolgte eine Nachgärung und die Zigarren erhielten ihr Aroma.
Zigarrenmacher zogen mit einem Tragekorb voller Zigarrenkisten durch die umliegenden Dörfer und Städte und suchten Kolonialwarenhändler, Gastwirte und private Kunden auf. Außerdem kauften Verleger Zigarren auf. Diese lieferten auch Tabak an Zigarrenmacher und banden diese so an sich.
Bei Zigarrenmachern war Kinderarbeit weit verbreitet, Acht- bis Zwölfjährige mussten die angefeuchteten Tabakblätter vom Stengel und Hauptrippe abstreifen. In Manufakturen wurden dafür auch ältere Menschen eingesetzt. Tabakstaub rief Krankheiten hervor und so lag die Lebenserwartung von Tabakarbeitern und Zigarrenmachern unter dem Durchschnitt.
Ein Zigarrenmacher stellte bis zu 1.000 Zigarren bei einem Arbeitstag von 14 Stunden her.
Werkzeuge des Zigarrenmachers
Zur Grundausstattung des Arbeitsplatzes eines Zigarrenmachers gehörten Arbeitstisch (Wickeltisch), Rollbrett, Zigarrenmesser. Ab 1860 kamen Wickelformen, Spindelpresse hinzu und für größere Margen Zigarrenwickelstühle und Zigarrenpressen. Zigarrenmesser gab es in unterschiedlichster Form, meist mit kurzer Klinge und runder Schnittkante.
Auf der Diele im Handwerkermuseum steht vor dem Durchgang zum Zunftraum ein Wickeltisch eines Zigarrenmachers in der Größe von etwa 1,00 x 0,60 m mit Schublade und seitlichen Abschlussbrettern und hinterem Bord. Auf dem Tisch liegen ein blank gescheuerter Holzblock, das Rollbrett, und aufklappbare Holzladen, Wickelformen, und in der Schublade einige Zigarrenmesser unterschiedlichster Form, dazu noch Zigarrenkisten mit Aufdruck und Aufklebern und einige Banderolen.
Gustav Zarbock
Am Wickeltisch stehen zwei Bilderrahmen, ein Foto zeigt den Zigarrenhersteller Gustav Zarbock aus Lilienthal um 1952, ein Text mit der Überschrift „Es war einmal“ beschreibt in kurzer Form dessen berufliche Tätigkeit.
„Gustav Zarbock … führte von 1927 an als einziger Zigarrenhersteller aus Lilienthal am Konventshof 10 seinen Beruf aus. … In den Nachkriegsjahren war es oft nicht einfach den Tabak zu beschaffen. Er musste mit dem Bus nach Bremen zum Hafen, um die Blätter auszusuchen. … Seine Frau Annchen musste ein Mal im Monat mit dem Fahrrad nach Osterholz-Scharmbeck zum Zollamt, um die Banderolen für die fertigen Zigarren zu holen. Viele Gaststäten in Lilienthal und Bremen wurden von Gustav Zarbock mit dem Fahrrad beliefert. Auch seine Töchter Metta, Aenne und Hanna halfen den Tabak aufzustribbeln, wenn er trocken war.“
Gustav Zarbock war demnach der letzte Zigarrenmacher in Lilienthal. Wilhelm Dehlwes nennt in dieser Zeit neben Zarbock am Konventshof, noch die Zigarrenmacher Heinrich Bruns am Fischteich und Heinrich Knoop in der Hauptstraße 91 und in Falkenberg noch Hinrich Dierks (41) und Diedrich Köster (46). Zudem gibt er noch Hermann Meyerdierks in der Hauptstraße 9a als Tabakfabrikanten an.
Produktionsstätten in und um Bremen
Bald waren Tabakhandel und Tabakverarbeitung miteinander verbunden. 1676 gab s in Bremen drei, 1710 bereits 14 und 1788 gar 77 tabakverarbeitende Betriebe. Das waren meist kleinere mit bis zu 15 Beschäftigten. Nach 1783 begann für Bremen die „goldene Zeit des Tabaks“, bis 1878 über 3/5 des Tabakbedarfs in Deutschland über Bremen lief. Die Zigarrenproduktion sorgte dann für einen immensen Aufschwung der tabakverarbeitenden Betriebe.
Etwa ab 1820 wurden in Bremen Zigarren hergestellt, sowohl in Manufakturen und Fabriken als auch in kleineren Betrieben, den Fabrikanten. Die Tabakarbeiter waren arbeitssuchende Handwerker und Landarbeiter aus Dörfern und Kleinstädten um Bremen, die zu einem großen Teil in Haus- oder Heimarbeit Tabak verarbeiteten. In Bremen waren um 1850 rund 10.000 Menschen, jeder sechste Bremer, mit der Herstellung von Rauchwaren beschäftigt. Hinzu kamen noch tausende im Bremer Umland.
Im späten 19.Jahrhundert verlagerte sich die Zigarrenherstellung aus der Fabrikation in größeren Betrieben zu Zigarrenmachern in den ländlichen Gebieten, wo sie zum großen Teil in Heimarbeit erfolgte.
In der Hansestadt und umzu war die Zigarrenherstellung, von der Heimarbeit bis zur Zigarrenindustrie ein großer Wirtschaftsfaktor. Besonders viele Zigarrenmacher gab es in Bremen in der Neustadt, im Buntentor, in Arsten und nach 1854 über die damalige Landesgrenze hinweg in Hastedt, Hemelingen, Achim und beispielsweise auch in Osterholz-Scharmbeck, Lilienthal und in den Dörfern der Moorgebiete nördlich von Bremen.
Meist lieferte ein Unternehmer den Rohtabak, der Zigarrenmacher fertigte die Zigarren und der Rohtabaklieferant kaufte die gefertigten Zigarren gegen Stücklohn zurück.
Zur Durchsetzung und Wahrung ihrer Rechte gründeten die nicht selbstständigen Zigarrenmacher in Bremen 1849 die erste Gewerkschaft und unterstützen Mitglieder aus gemeinschaftlich organisierten Kassen.
Gestern und heute
Die Technologie der industriellen Zigarrenproduktion, die um 1840 entwickelt worden war, verdrängte die Heimarbeit und die handwerkliche Zigarrenproduktion, die nach dem Ersten Weltkrieg fast vollkommen erlosch.
In Osterholz und Scharmbeck hat es annähernd 270 Zigarrenmacher gegeben und die Firma Reemtsma hat hier ihre Wurzeln. Vor 1900 gründete Hermann Zülch in Osterholz-Scharmbeck eine Zigarrenfabrik. Seine Schwester heiratete den ostfriesischen Kaufmann
Bernhard Reemtsma, der 1910 eine kleine Tabakmanufaktur gründete. 1923 verlegten die Firmen den Sitz nach Altona und firmierten unter „Reemtsma Cigarettenfabrik“.
Heute gibt es wohl nur noch wenige Zigarrenmacher hierzulande. Die Letzten ihres Standes verstehen ihren Beruf als „Genuss-Handwerker“.
1864 gründete Martin Niemeyer in Bremen ein Geschäft in dem er Cigarren aus eigener Produktion verkaufte. Um 1890 begann Niemeyer ein Filialnetz aufzubauen. Bis 1902 stellten 800 Arbeiter in vier Fabriken Cigarren her, die dann in über 100 M.Niemeyer Geschäften verkauft worden. Nach und nach konzentriert sich die Firma auf das Filialgeschäft und nach 2000 auf den „Erlebniskauf Tabak“ an über 70 Standorten.
Bis 1992 produzierte „The Cigar Company“, die Firma Arnold André mit Sitz in Bünde, Deutschlands größter Zigarrenhersteller, in einer 1958 errichteten Fabrikationsanlage in Osterholz-Scharmbeck noch Zigarren mit Marken wie Handelsgold, Clubmaster und Tropenschatz, der noch heute meistverkauften Zigarre Deutschlands.